Schmerzfrei durch Biokinematik (Teil I) – geschrieben für die österreichische Zeitschrift Pulsar von Ilona Kunzelmann (Ärztin) und Dirk Ohlsen (Heilpraktiker)

Über die Therapieform der Biokinematik nach Walter Packi wurde in der Zeitschrift Pulsar bereits mehrfach berichtet. In einer neuen Serie berichten die Therapeuten Ilona Kunzelmann und Dirk Ohlsen über ihre jahrelangen Erfahrungen mit der Methode und werden unseren Lesern die Behandlung bestimmter Schmerzerkrankungen erläutern. Begonnen wird mit einer allgemeinen Einführung in das Behandlungskonzept.

Dieser Artikel ist eine allgemeine Einführung in das Behandlungskonzept der Biokinematik:

Millionen Menschen leiden im deutschsprachigen Raum unter chronischen Schmerzen, die sich für die konventionelle Medizin als äußerst therapieresistent erweisen. Ein Blick in entsprechende Statistiken zeigt, dass derartige Probleme um 3-5 % pro Jahr wachsen und ca. 40 % aller Menschen unter dauerhaften Rückenschmerzen leiden. Immer wieder wird mit den üblichen diagnostischen Mitteln kein eindeutiger Grund gefunden, der die Symptome verursacht – oder die bekannten therapeutischen Mittel aller medizinischen Fachbereiche sind ausgeschöpft. Für den Patienten bedeutet dies oft eine Odyssee bei verschiedensten Fachärzten und Spezialisten, mit oft unterschiedlichen Meinungen und Ansätzen, reichlich Untersuchungen, viele Medikamente und möglicherweise fragwürdige Operationen. Bei weiter anhaltenden Beschwerden kommt eine massive Einschränkung der Lebensqualität hinzu. In der Folge wird auch eine psychische Belastung (Depressionen/Burnout) nicht ausbleiben, denn Schmerz zermürbt, macht Angst und hilflos, wenn man keinen Ausweg sieht.

Die Biokinematik hat in den Jahrzehnten ihrer praktischen Anwendung gezeigt, dass sie eine wirkungsvolle Alternative zur Behandlung derartiger Beschwerden darstellt. Nachfolgend wollen wir uns vor allem mit Schmerzproblemen im orthopädischen Bereich befassen, wobei die Überlegungen grundsätzlich auf alle Arten von Schmerzen anwendbar sind.

Schmerz ist ein Bewusstseinsprozess

Dreh- und Angelpunkt einer Schmerzbehandlung muss das Bewusstsein sein. So unangenehm und störend eine Schmerzwahrnehmung im Einzelfall sein kann – sie hat einen biologischen Sinn und wurde daher über die Jahrtausende der Evolution aufrecht erhalten. Zudem ist es für das Verständnis der Ursachen wichtig, dass ein Schmerz nicht an einem bestimmten Körperort oder an eine bestimmte Struktur (Nerv, Organ, Knochen, Bandscheibe, Gelenk, Knorpel…) gebunden ist. Er entsteht im Bewusstsein aufgrund der Verarbeitung von Signalen aus dem Körper, um auf ein Defizit aufmerksam zu machen oder um vor einer Störung zu warnen. In Analogie zur Einnahme von Schmerzmitteln vielleicht mit der Ölkontroll-Leuchte des Autos vergleichbar, die man auch nicht einfach kaputt schlagen sollte, falls sie aufleuchtet. Unser Körper mit seinen rund 70 Billionen Zellen ist perfekt konstruiert, somit gehört auch der Schmerz in dieses von der Natur geschaffene Konzept. Es gibt einen sinnvollen Grund, wenn der Körper Schmerz signalisiert – er sollte nicht unser Feind sein.

Gründe für Warnmeldungen

Grundsätzlich können hier zwei Arten von Informationen unterschieden werden:

  • Probleme im geistig-emotionalen Bereich im Sinne von Körpersprache
  • Probleme im Bereich des muskulären Bewegungsapparates (Kernbereich der Biokinematik)

 

Die erstgenannten Ursachen sind nicht bzw. nur am Rande mit den Behandlungstechniken der Biokinematik adressierbar. Obwohl sie therapeutisch wichtig sind, werden sie im Rahmen der Vorstellung des Behandlungskonzeptes der Biokinematik „ausgeklammert“. Uns sind eine große Anzahl spirituell bewusster Menschen bekannt, deren chronische Schmerzprobleme aus der zweitgenannten Ursache rührten und diese vergeblich über Jahre hinweg mit geistiger Arbeit zu heilen suchten.

Wir wenden uns also den Schmerzproblemen zu, die vom Bewusstsein als Ausdruck der Wahrnehmung von Störungen im Bewegungsapparat ausgelöst werden. Es ist hier der Verdienst von Walter Packi, dass er sich in jahrzehntelanger Forschung diesem Thema angenommen hat und viele der nachfolgenden Ausführungen basieren auf seinen Grundüberlegungen.

Störungen im Bewegungsapparat

Zur Bewegung verfügt der Körper über rund 600 Muskeln, die 25-50% des Körpergewichts darstellen. Die Muskeln sind jeweils von Bindegewebe durchwebt und stellen ein verbundenes Fasziennetz dar, welches den ganzen Körper durchzieht. Vereinfacht dargestellt sind für eine Bewegung immer mindestens zwei Muskeln erforderlich, einer der anzieht (Spieler) und einer der nachlässt (Gegenspieler). Beide Bewegungsprozesse, die auf chemisch-physiologischen Grundlagen beruhen, sind aktiv und verbrauchen Energie. Jede Bewegung im Körper, die Tausende von einzelnen Muskelfasern benötigen kann, muss perfekt aufeinander abgestimmt und synchronisiert sein. Diese Steuerung erfolgt im Bewusstsein und nimmt insbesondere in der Kindheit jahrelanges Koordinationstraining in Anspruch, bis alles perfekt feinmotorisch miteinander arbeitet. So muss beispielsweise im Stehen jede Bewegung des Körpers in der Fußsohle ausgeglichen werden, um das Gleichgewicht balancieren zu können. Dies geschieht unbewusst, nimmt aber größere Teile unseres Bewusstseins in Anspruch und beruht auf kybernetischen Steuerungsprozessen, bei denen ständig Signalinformationen von rund 20.000 Messfühlern in den Muskeln verarbeitet werden (Eigenwahrnehmung / Propriozeption).

Solange diese Steuerung perfekt funktioniert, kann sehr feinmotorisch gearbeitet werden. Dies gilt vor allem für die Kindheit, wo im Regelfall auch keine chronischen Schmerzen bestehen. Über die Jahre hinweg wird die Muskulatur vieler Menschen durch einseitige Beanspruchungen (Arbeit, Fitness…) oder Unfallverletzungen funktionsgestörter. Die Folgen sind nun eine grobmotorischere Bewegung (die vielfach nicht bewusst wahrgenommen wird) und das Auftreten von Beweglichkeits-einschränkungen. Irgendwann sind die Störungen der Muskulatur dann so groß, dass das Bewusstsein diese steuerungstechnisch nicht mehr kompensieren kann und den Betroffenen daher über einen chronischen Schmerz auf das muskuläre Ungleichgewicht hinweisen will. Ganz allgemein lässt sich feststellen, dass ältere Menschen wesentlich steifer und unbeweglicher sind als junge Menschen. Dies ist ein entscheidender Hinweis zur Erklärung vieler therapieresistenter, chronischer Schmerzprobleme im Alter. Allgemein lässt sich feststellen, dass chronische Schmerzen meist bewegungsabhängig sind – ein Hinweis auf die Muskeln als wirkliche Ursache.

Denkfehler in der Therapie

Die Sinnhaftigkeit des Schmerzes wird leider therapeutisch meist fehlinterpretiert, obwohl es diagnostisch vergleichsweise leicht wäre, die Fehlfunktionen der Muskulatur aufzuspüren. Derartige Probleme ließen sich über ein Umtrainieren der Muskulatur oft vergleichsweise einfach beheben – allerdings ein Umtrainieren in Richtung Beweglichkeit und Feinmotorik, nicht in Richtung Kraft oder Ausdauer. Für die Ausführung von schmerzfreien Bewegungen ist die Beweglichkeit der entscheidende Parameter. Kraft und Ausdauer sind wünschenswerte Eigenschaften des Körpers – beim Thema Schmerz als Einflussfaktor allerdings meist vollkommen vernachlässigbar.

Das Konzept der Biokinematik

Es handelt sich hierbei um ein weitreichendes, eigenständiges Diagnose- und Therapieverfahren mit dem Ziel, über die Verbesserung der Beweglichkeit die Arbeitsfähigkeit der Muskeln und somit die Körpergeometrie wieder dauerhaft herzustellen. Dies geschieht teilweise über ein spezielles Training, welches weit über die derzeit noch üblichen Behandlungskonzepte der Orthopädie/Physiotherapie hinausgeht und nichts mit den üblichen Dehnungs- oder Stretchingkonzepten gemeinsam hat. Der Betroffene erlernt diese Körperübungen zur selbstständigen Anwendung zu Hause, baut seinen Körper muskulär funktionsgerecht um und schult damit auch die verloren gegangene Eigenwahrnehmung in bestimmten Körperbereichen. „Üben – nicht schonen“ ist die Devise. Kein Therapeut der Welt kann den Körper eines Patienten umbauen. Zahlreiche Menschen mit therapieresistenten Schmerzen haben sich auf diese Weise schon von ihren Problemen befreien können. Selbst die häufig diagnostizierten „Schäden“ (Knorpel, Bandscheibe, Verkalkung…) können im Regelfall wieder heilen, wenn der Körper wieder biologisch korrekt bewegen und arbeiten kann. Die Selbstheilungskapazitäten sollten niemals unterschätzt werden.